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Erfolgsfaktor 7: Glaubwürdigkeit der ersten Erfolge nutzen

Sonntag 24. Juli 2011, von Rainer Windisch

Kurzfristige Projekterfolge müssen geplant, kommuniziert und gefeiert werden. Kurzfristige Erfolge entfalten aber auch nur eine kurzfristige Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit. Dem Manager [**], dem es um kurzfristige Erfolge geht, um danach das nächste Unternehmen zu leiten, mag dies ausreichen für seinen Karrieresprung. Soll das Unternehmen hingegen langfristig wettbewerbsfähig sein, darf nicht in Zeitdimensionen von Monaten oder einem Jahr gedacht werden, sondern in Zeitdimensionen von Jahren und Jahrzehnten. Echtes ‚Leadership’ auf Geschäftsführungsebene entspringt einer persönlichen Vision – Einer Vision, die auf einer antizipierten Markt- und Wettbewerbsentwicklung gründet, auf welche sein Unternehmen reagieren muss, um langfristig überlebensfähig zu bleiben.

Doch selbst wenn die grundsätzliche Haltung des Top-Managements stimmt und der langfristige Erfolg des Unternehmens die Antriebsfeder der Entwicklungsbemühungen ist, wird oft ein schwerwiegender handwerklicher Fehler gemacht: Nachdem eine gewisse Zeit harter Arbeit vergangen ist, ist das Top-Management versucht, den Sieg zu verkünden, sobald die ersten klar sichtbaren Leistungsverbesserungen vorliegen. Ein ganzer „Feldzug“ vorschnell als gewonnen anzusehen, kann sich katastrophal auswirken. Vielmehr gilt es das erzeugte Momentum konsequent zu nutzen, um „offensichtlich dysfunktionale Granitwände zu durchbrechen, welche man in vielen Organisationen findet (Kotter, 1996).“

In einer interessanten Untersuchung wurde bei außerordentlich erfolgreichen Unternehmensentwicklungen über eine Spanne von sieben Jahren der Grad der Veränderung jährlich genau beziffert (Skala: 1 (niedrige Wirkung) bis 10 (hohe Wirkung)).


Wirkung von Veränderungen über die Jahre hinweg.

Der größte Fortschritt wurde im fünften Jahr erreicht, volle 36 Monate nach den ersten sichtbaren Erfolgen. Bis sich Veränderungen durchgesetzt und sich in der Unternehmenskultur tief eingeprägt haben, können fünf bis zehn Jahre vergehen. Vorher sind neue Vorgehensweisen noch instabil und ein Rückfall in alte Verhaltensmuster sehr wahrscheinlich. Wenn sich nach dem Verkünden von den ersten Erfolgen wieder Selbstgefälligkeit einstellt, werden die Traditionalisten zurückkommen und zwar mit einer beeindruckenden Geschwindigkeit und Macht.

Widerstand - Immer bereit zur Rehabilitation!

Irrationaler und politisch motivierter Widerstand gegenüber Veränderung wird niemals komplett überwunden. Der Keim ist immer da, selbst wenn man sehr erfolgreich unterwegs war. Selbstbezogene Manager, welche äußerst widerwillig mitmachen, wenn die Entwicklung auch ihren (Macht-)Bereich erfasst oder engstirnige Fachexperten, welche einfach nicht verstehen können, dass Qualität durch den Kunden definiert wird und nicht auf der Basis ihres persönlichen Perfektionismus oder hartherzige Finanzer, welche die Einbeziehung von MitarbeiterInnen einfach lächerlich finden, ducken sich weg, agieren im Untergrund und sind oftmals kaum noch auszumachen. Anstelle sich zu ändern oder das Unternehmen zu verlassen, haben diese Menschen oftmals ein erstaunliches Beharrungsvermögen, auf ihre Chance zur Rehabilitation zu warten.

Manchmal sind sie sogar aktiv dabei, Erfolgshymnen mitzusingen aus einem einfachen Grund: Der Organisation soll signalisiert werden, dass nun diese leidigen Veränderungen ein Ende haben sollten, damit man endlich wieder zur Tagesordnung zurückkehren kann. Der Tenor dieser Signale ist immer der Gleiche: „Leute, wir haben nun vieles geopfert und wir haben nun auch schon wirklich etwas erreicht.“ – „Jetzt ist es aber wirklich Zeit, wieder an das eigentliche Geschäft zu denken!!!“ – oder: „Jetzt haben wir es aber wirklich mal verdient, eine Pause von diesen ständigen Veränderungen zu machen!!!“ – und: Da die Hauptlast der bisherigen Entwicklung oftmals auf wenigen Leistungsträgern lag, sind diese auch noch anfällig für solche Signale.

„Eine kleine Ruhepause oder ein bisschen Stabilität wird den Veränderungsbemühungen keinen Schaden zufügen“. So oder so ähnlich lauten die impliziten Stimmen, welche dann hochkommen und genau dies ist dann oft der Anfang vom Ende der umfassenden Vitalisierung des Unternehmens.

Danach geht die Initiative an die stark traditionsverhafteten Kräfte. Die Veränderer lassen sich von ihrem Sieg überzeugen und verringern ihre Anstrengungen. Alsbald stockt der Entwicklungsprozess und die alten Gewohnheiten und Unarten schleichen sich wieder ein. Die aufgebaute Entwicklungsenergie verpufft in einer ungeheueren Geschwindigkeit. Die Dynamik dreht sich um und die „ewig Gestrigen“ klopfen sich gegenseitig auf die Schultern und verkünden, dass sie es doch gewusst haben, dass alles nicht so konsequent kommen wird, wie einst angekündigt – und: Bei der nächsten Veränderungsanstrengung wird es noch viel schwieriger, die grundsätzlichen Muster und Überzeugungen im Unternehmen aufzubrechen, da jene, welche von diesen profitieren, auf den letzten gescheiterten Versuch verweisen werden. Diese Dynamik kann die Entwicklungsfähigkeit eines Unternehmens auf Jahre und manchmal Jahrzehnte hinweg blockieren.

Warum überhaupt an den Grundmustern der Unternehmung rütteln?

Die meisten Unternehmen müssen schneller, kostengünstiger und konsequent kundenorientiert werden, um im Wettbewerb mittelfristig bestehen zu können. Als eine Folge dieser Entwicklung werden die internen Abhängigkeiten und Vernetzungen in den Unternehmen zunehmen, da gerade durch fehlende Abstimmung bzw. durch

Nichtdenken und Nichthandeln in Wertschöpfungsprozessen enorme Blindleistungen und Doppelarbeiten erzeugt werden. Diese Abhängigkeiten machen es meist unmöglich, einzelne Bereiche isoliert nachhaltig weiterzuentwickeln oder mit Kotter (1996) “changing highly interdependent settings is extremely difficult because, ultimately, you have to change nearly everything.”

So kann eine Mitarbeiterin noch so bemüht sein, ihren Arbeitsbereich an der Vision auszurichten. Wenn hinderliche Rahmenbedingungen sie darin ausbremsen, wird sie nur wenig Erfolg haben. Ihre Vorwärts-Energie wird sich bald in Frust und Sarkasmus verwandeln. Hinderliche Rahmenbedingungen, welche auf diese Mitarbeiterin tagtäglich einwirken, könnten sein:

  • Zweifelhaft engagierte Vorgesetzte;
  • Überkommene Unternehmensstrukturen und –prozesse;
  • Ein Leistungsbewertungssystem, welches überkommenes Verhalten und die falschen Leute belohnt;
  • Überkommene Gewohnheiten einzelner, aber wichtiger informeller Führer;
  • Die gelebten Teamregeln im direkten Umfeld;
  • Und am allerwichtigsten: Der beständige Strom an Anfragen und Erwartungen von Kolleginnen und Kollegen, welche in der alten Welt verharren.

Diese Rahmenbedingungen waren schon in der Phase „Hürden aus dem Weg räumen“ im Fokus. In dieser Phase muss es nun an die „heiligen Kühe“ gehen. Der Fokus ist der gleiche, der Tiefgang und die Konsequenz ist der Unterschied.

Erfolgreiche Führung hin zu nachhaltigem Wettbewerbsvorteil

Statt Siege zu verkünden, nutzen Führungskräfte erfolgreicher Erneuerungsvorhaben die aus den ersten Erfolgen resultierende Glaubwürdigkeit, um noch größere Probleme anzugehen. Sie nehmen sich Systeme und Strukturen vor, die zu der neuen Vision nicht passen, bisher aber noch nicht angegangen und verändert wurden. Sorgfältig achten sie darauf, wer befördert oder neu eingestellt wird und wie Beschäftigte weiter entwickelt werden. Sie gehen darüber hinaus, was bislang getan wurde:

  • Das Restrukturierungsprojekt wird nun angepackt, was bisher vermieden wurde aufgrund des hohen Widerstands;
  • Das Prozessredesign wird durchgeführt, welches zwar immer schon anstand, aber nie konsequent umgesetzt wurde;
  • Die Neugestaltung des strategischen Planungsprozesses wird endlich umgesetzt, nachdem die Optimierung schon viel zu lange diskutiert wurde;
  • usw.

Aber nicht nur „große Themen“ wie Restrukturierung, Reengineering oder die Veränderung der strategischen Planung stehen im Fokus der erfolgreichen Führungskraft, sondern auch

  • die Überarbeitung des Trainingsprogramms,
  • die Modifizierung des Informationssystems,
  • der Auf- oder Abbau von Personal und
  • die Anpassung des Leistungsbeurteilungssystems.

Die Rolle des Top-Managements

Es geht darum, die begonnene Veränderung auf einer qualitativ höheren Stufe zu stabilisieren. Dazu müssen eine Meta-Struktur und Meta-Prozesse geschaffen werden, um die Entwicklung des Gesamtunternehmens immer wieder kritisch zu reflektieren, die Entwicklung zu befeuern und vor allem den ‚sense of urgency’ in der Organisation zu halten. Falls der notwendige ‚sense of urgency’ verflogen ist, ist es die Aufgabe des Top-Managements, diesen Geist wieder herzustellen – denn ohne gefühlte Notwendigkeit weiterzumachen, werden die grundlegenden Muster einer Organisation nicht ernsthaft angepackt. Dem ‚sense of urgency’ gilt es, die Vision gegenüber zu stellen und diese Vision professionell zu kommunizieren. Die Schrittfolge ist die bekannte (Erfolgsfaktoren), der Anspruch ist allerdings ein höherer:

  • Der ‚sense of urgency’ muss täglich spürbar aufgebaut bzw. gehalten werden;
  • Die Vision muss ausgesprochen griffig formuliert bzw. reformuliert werden;
  • Die ‚guiding coalition’ muss wirklich den Erfolgskriterien entsprechen (siehe Erfolgsfaktor 2);
  • Es müssen genau die Themen in der Organisation angegangen werden, welche das Unternehmen substantiell weiterbringen;
  • Die Optimierungsstrategie und -methodologie muss weiterhin einem schlüssigen Konzept folgen, welches der angestrebten Wertestufe entspricht;
  • Die Entwicklungs-Kommunikation muss endgültig als fester Bestandteil im gesamten Unternehmen in den jeweiligen Berichtsstrukturen verankert werden;
  • Entscheidungen müssen konsequent an der Vision orientiert getroffen und begründet werden;
  • Entwicklungs-Verantwortung muss soweit als möglich auf untere Ebenen der Hierarchie delegiert werden;
  • Und zusätzlich: Die Gesamtentwicklung muss auf regelmäßiger Basis und mit aller Ernsthaftigkeit reflektiert werden, um in einen kontinuierlichen Unternehmensentwicklungsprozess einzusteigen.

Doch wie kann dieser Umfang und diese Tiefe an Veränderung durch das Top-Management bewerkstelligt werden? Die Geschäftsführung kann dies nicht alleine. Der Schlüssel liegt in dem Bewusstsein, dass die Geschäftsführung die Veränderung auf der systemischen Ebene steuert und das Managen der Projekte soweit als möglich in die Organisation delegiert.

Wie oben schon geschrieben, bedarf es einer Meta-Struktur und Meta-Prozessen, welche die Weiterentwicklung des Unternehmens an sich zum Ziel haben: So werden z.B. die wichtigen Interessengruppen des Unternehmens einmal im Jahr zu einem 2tägigen Workshop eingeladen, um über die Lebensfähigkeit des Unternehmens nachzudenken, das bisher Erreichte kritisch zu würdigen und neue Entwicklungsinitiativen zu starten. Als Daumenwert kann man sagen, dass 20% der wirksamsten Manager und Mitarbeiter ausreichen – wobei Wirksamkeit bedeutet: Einfluss in und aus dem Unternehmen hinein bzw. heraus.

Des Weiteren sollten auf regelmäßiger Basis auch Interessengruppen von außerhalb eingeladen werden wie Kunden, Lieferanten, Anteilseigner etc.

Die auf diesen Optimierungs-Workshops gemeinsam definierten Themen, werden in einem professionellen Projektmanagement (Projektkontrakt, Projektzielerreichungsmeetings, Projektreviews) über das Jahr hinweg zur Umsetzung gebracht. Es gibt Unternehmen, in denen jeder Bereichsleiter ein Entwicklungsthema vorantreibt und aufgefordert ist, Themen für das nächste Jahr zu nennen.

Wie die Meta-Struktur und die Meta-Prozesse im Detail aussehen, kann unterschiedlich sein – eines ist diesen Top-Managern aber klar: Dass es einer konsequent gelebten Organisation in der Organisation bedarf, welche quasi quer zur eigentlichen liegt, die klassische immer wieder hinterfragt, von dem Geist zur kontinuierlichen Verbesserung im Sinne des Kunden lebt und einer ehrlichen Feedbackkultur verschrieben ist.

Dem Top-Management ist weiterhin klar, dass die Bestrebungen zur Erneuerung ihres Unternehmens nicht Monate, sondern Jahre brauchen. Sie achten darauf, dass die Organisation nicht zu früh zur Tagesordnung zurückkehrt, ohne zu überprüfen, wie gut die intendierten Veränderungen tatsächlich im Alltagsleben verankert sind und welche Erfahrungen man aus der Vergangenheit für die Zukunft aufbewahren möchte. Sie stellen sich u.a. folgende Leitfragen (Wimmer):

  • Mit welchen Erfolgskriterien wurde der Prozess begonnen? Wo steht man heute? Welche Bilanz lässt sich ziehen? In welchen Dimensionen wurde die Leistungsfähigkeit der Organisation tatsächlich gestärkt? In welchen Dimensionen hat man sich neue Probleme eingehandelt? Wie wird daran weitergearbeitet?
  • Haben die angestrebten Veränderungsziele in ausreichendem Maße in der Unternehmenskultur ihren Niederschlag gefunden? Werden sie in der Zwischenzeit von den herrschenden Grundüberzeugungen, Normen und Werten der Organisation mitgetragen?
  • Welche Erkenntnisse lassen sich aus den gemachten Erfahrungen für den Umgang der Organisation mit Veränderungen gewinnen? Was hat sich im Vergleich zu früheren Projekten wiederholt? Was war diesmal anders?
  • Welche Folgeprobleme, die durch das Veränderungsvorhaben ausgelöst wurden, bedürfen in Zukunft einer besonderen Beachtung? Wer wird sich darum kümmern?
  • Wie können die wichtigsten Lernerfahrungen aus dem Veränderungsprozess dokumentiert werden?
  • Ist die vorgesehene Veränderung im Personalentwicklungs- und/oder Fortbildungskonzept berücksichtigt?
  • Welche weiteren Verknüpfungen zu anderen Managementstrukturen, Projekten und Programmen sind vorhanden, wurden diese ggf. angepasst, zur Unterstützung verwendet, darauf geprüft, ob sich negative Einflüsse ergeben können, und Maßnahmen zur Vermeidung ergriffen?

Als gedankliches Ordnungsschema hat sich auch folgende Tabelle bewährt.

Das Top-Management begreift sich als kritischer und konsequenter Frager und sorgt dafür,
dass die Veränderungsenergie in einer professionellen und durchgängigen Meta-Struktur
geordnet und in Meta-Prozessen kanalisiert wird. Dabei ist es dem Top-Management wichtig,
dass nach und nach die gesamte Organisation (in jedem Winkel und getragen durch alle
Mitarbeiter) entsprechend der Vision ausgerichtet wird. Nachhaltigkeit bedeutet hier: Das
Augenmerk solange konsequent auf der Unternehmensentwicklung zu halten, bis die
angestrebte Vision so im Unternehmen verankert ist, dass sie durchgängig und in der Tiefe
gelebt wird – dieses Durchhaltevermögen ist vom Top-Management gefordert, will es eine
gesamthafte Veränderung nachhaltig erzielen.

Nachhaltigkeit bedeutet hier aber auch: Das Augenmerk solange konsequent auf die eigenen
Stärken und Schwächen zu richten, bis sich persönliche, maladaptive Muster auflösen und
nicht weiter die Entwicklung des Gesamtunternehmens behindern. Nachhaltigkeit bedeutet in
dieser Phase, dass das Top-Management sich selbst konsequent in Frage stellt, sich
persönlich weiterentwickelt und zwar solange, bis die angestrebten Unternehmenswerte
durch eigene Werte „beatmet“ und nicht nur verbal geäußert werden. Nachhaltigkeit
bedeutet hier, dass auch die etablierten Kräfte sich einer kritischen Überprüfung unterziehen
müssen – hinsichtlich eigenen Werten, Selbstverständlichkeiten, Einstellungen,
Problemlösungsstrategien usw. – Nachhaltigkeit bedeutet hier: Auch persönlich ans
„Eingemachte“ zu gehen egal auf welcher Hierarchiestufe und egal wie selbstgefällig und
überzeugt man selbst von sich ist. Denn wie viele Beispiele zeigen: Festgefahrene Strukturen
und Prozesse im außen können oft nur aufgelöst werden, wenn festgefahrene Strukturen
und Prozesse im eigenen Kopf gelöst werden. Eine hilfreiche Strategie könnte sein, die
Leitfragen von Wimmer in diesem Text und dem vorherigen Artikel (Fehler 6) zu nehmen
und konsequent auf sich selbst zu beziehen: So würde z.B. der Begriff Unternehmen durch
Ich ersetzt, Prozesse durch eigene Denkprozesse, Unternehmenskultur durch eigenes
Bewusstsein und der Begriff Mitarbeiter durch Einstellungen/ Glaubenssätze.
Dies erfordert etwas Kreativität und Mut, ehrlich bei sich selbst hinzuschauen; Kreativität und
Mut, welche ein Top-Manager aber in dieser Phase aufbringen muss.

Die Rolle des Personal-Managements

Einen wichtigen Beitrag zur Verankerung einer Unternehmensentwicklung leistet immer die
Personalabteilung. Es ist symbolisch entscheidend, welche Leute qualifiziert werden und mit
welchen Inhalten. Es ist ebenso symbolisch äußerst wichtig, welche Leute neu eingestellt werden und welche Leute befördert werden. Aus diesem Grund ist es wichtig, hierauf eine
besonders hohe Aufmerksamkeit zu legen. Der Personalentwicklung sollte diese strategisch
wichtige Aufgabe in die Schlüsselziele geschrieben werden. Der Personalentwicklungsleiter
muss als Ziel haben, alle Personalentwicklungsmaßnahmen auf deren Beitrag zur
Verankerung der Unternehmensentwicklung hin zu prüfen, zu optimieren und ggf. zu
ergänzen. Die gleiche Thematik betrifft die Personalauswahl. Es muss sichergestellt werden,
dass vornehmlich Führungskräfte und Mitarbeiter eingestellt werden, welche der
angestrebten Wertestufe entsprechen (siehe Kardinalfehler 6) bzw. dieser aufgeschlossen
sind. Fatal wäre die Einstellung und/ oder Beförderung von Führungskräften und
Mitarbeitern, welche offensichtlich auf der niederen Wertestufe verharren.

Die folgende Übersicht listet Leitfragen auf, welche durch das HR-Management in diesem
Zusammenhang beantwortet werden müssen.

Die Rolle der Organisationsentwicklung/ - abteilung

Menschen lernen nachhaltig vor allem durch Erfahrungswissen. Wer nachhaltige
Veränderungen in den Einstellungen und Werten der MitarbeiterInnen erreichen möchte,
muss demnach „Lernfelder“ schaffen, in denen das erwünschte Verhalten erfahren werden
kann – oder wie Beer et al. schon 1990 schrieben: „In fact, individual behaviour is powerfully
shaped by the organizational roles that people play. The most effective way to change
behaviour, therefore, is to put people into a new organizational context, which imposes new
roles, responsibilities, and relationships on them. In that case, a situation is created which
forces new attitudes and behaviours on people“.

Die Organisationsentwicklung/ -abteilung sollte dabei die Wertestufe im Blick haben, welche
es zu erreichen gilt. Wie Graves (2005) richtig unterstrich, kann keine Stufe einfach
übersprungen werden. An dieser Stelle sollen drei häufig in der Wirtschaft vorkommende
Wertestufen beschrieben werden, nämlich Macht => Leistung => Gemeinschaft:
In einem machtorientierten Unternehmen, in dem Bereichsfürsten das letztendliche Sagen
haben, muss die Einführung stabiler Prozesse im Fokus stehen. Die Entscheidungsgewalt
muss sich verlagern von einigen wenigen Mächtigen hin zu stabilen Prozessen. Machthaber
müssen dazu veranlasst werden, keine Alleingänge mehr zu machen, sondern sich konsequent an eingeführte Prozesse zu halten – oftmals kein leichtes Unterfangen, aber ein zwingend notwendiges: Wenn wenigen Mächtigen immer wieder erlaubt wird, ihre eigene Welt zu generieren, wird die Organisation nie lernen, in Prozessen zu denken und zu handeln – und: vollständige Delegation von Aufgaben wird damit unmöglich und damit wird es keine echte Selbstverantwortung geben.

Sind Prozesse etabliert und das Unternehmen strebt die Wertestufe Leistung an, dann gilt es, die Kundenorientierung der Prozesse kritisch zu hinterfragen. Vor allem bereichsübergreifende Prozesse sowie planende und steuernde Prozesse sind einzuführen. Das Denken und Handeln in Wertschöpfungsprozessen muss im Fokus stehen. Die Organisationsabteilung muss Prozesse und Strukturen schaffen, bei denen die Verantwortung für den gesamten Prozess bei einer Person liegt, d.h. Prozessverantwortliche definieren. Die Abteilungsdenke muss abgelöst werden durch das Denken in Wertschöpfungsprozessen – ein Denken und Handeln, dass sich konsequent daran orientiert, Werte für den externen und auch für den internen Kunden zu schaffen.

Der nächste Sprung ist der Sprung hin zur Wertestufe Gemeinschaft. Erfolg ist weiterhin das treibende Momentum. Allerdings kommt hier die Qualität hinzu, dass nur durch die Einzigartigkeit und Unterschiedlichkeit der Teammitglieder Wettbewerbsvorteile erzeugt werden können. Diversity-Management wird zum Thema. Kompetenzpools werden geschaffen, in denen komplementär sich ergänzende MitarbeiterInnen und Manager kundenrelevante Themen bearbeiten. Projekte werden konsequent durch multifunktionale Teams umgesetzt. Talente werden bewusst gefördert und gesucht. Ein hoch professionelles und anwenderorientiertes Knowhow- und Ressourcenmanagement mit entsprechendem IT-Support ist von Nöten. Es gilt die Überzeugung, dass der Einzelne durch die Gemeinschaft gewinnt – Teamintelligenz wird groß geschrieben und eine Matrixorganisation hält Einzug. Die Prozesse sind stark kollaborativ, damit jeder sein Bestes für die gemeinsamen Ziele einbringen kann (Bär et al., 2007).

Systematische Müllabfuhr

Nichts führt zu so schnellem Wandel, gleichzeitig aber auch zu so radikalem, wie die Frage: Was sollten wir nicht mehr tun? – Konsequent damit aufhören, die falschen Dinge zu tun, ist der beste Weg zur nachhaltigen Veränderung einer Organisation. „In jeder Institution muss ein Prozess des Ausmerzens von Altem, Überkommenem und Überflüssigem installiert werden. Diese Idee macht den entscheidenden Unterschied aus zwischen fetten und schlanken Organisationen, zwischen ineffizienten und effizienten, zwischen langsamen und schnellen und zwischen faulen und vitalen (Malik, 2006).“

Das Beibehalten von Überflüssigem ist oft kein böser Wille, sondern schlichte Gewohnheit. Dinge, welche in der Vergangenheit durchaus sinnvoll waren, werden einfach weiter gemacht, weil es halt so ist, ohne konsequent darüber nachzudenken, ob sie tatsächlich noch sinnvoll sind. Gleichwohl liegt hier ein ungeheueres Potenzial der Effizienzsteigerung. Um sich die Frage stellen zu können, was man weglassen kann, muss man sich erstmal klar darüber sein, welchen Mehrwert man für den Kunden erbringen möchte. Hier liegt die Handhabe für den notwendigen Freiraum, welcher immer wieder angemahnt wird, damit man überhaupt Zeit hat, Veränderungsvorhaben voranzutreiben. Jeder Manager, welcher über Zeitmangel klagt, sollte sich diese Frage konsequent stellen und das Top-Management sollte die folgende Schlüsselfrage mit aller Konsequenz immer wieder sich selbst stellen und einfordern – denn: Gewohnheiten sind dadurch gekennzeichnet, dass es oft äußeren Druck braucht, um über deren Sinnhaftigkeit nachzudenken.

Die Schlüsselfrage, die es zu stellen gilt, ist: Was von all dem, was wir heute tun, würden wir nicht mehr neu beginnen, wenn wir es nicht schon täten?

Malik (2006) empfiehlt, diese Frage konsequent zu stellen und zwar u.a.

  1. alle drei Jahre für die Produkte, Märkte, Kunden und Technologien,
  2. jedes Jahr für alles andere wie z.B. sämtliche Verwaltungsabläufe, Computersysteme und –programme, Formulare, Listen, Berichte, Prozeduren, Methoden sowie
  3. vor allem in Bezug auf Sitzungen, welche man macht, obwohl sie schon lange kein Ergebnis mehr erzeugen, geschweige denn, einen Mehrwert für den Kunden schaffen.

Die Methode ist dabei sehr einfach: Einen Tag mit der nächsten Management-Ebene bzw. mit dem eigenen Team darauf verwenden, die Müllabfuhr-Frage zu stellen und die Antworten zu sammeln, um die genannten Dinge dann konsequent abzuschaffen. Die Erfahrung zeigt, dass nach anfänglicher Überraschung, sehr bald eine Menge an Dingen genannt werden, welche abgeschafft gehören – und: Dann gilt es nicht mehr zu fragen, ob man sich davon trennen will, sondern nur noch, wie schnell können wir uns davon trennen?

Unternehmensentwicklung nachhaltig verankern

Zusammenfassend geht es darum, Erreichtes zu stabilisieren und grundsätzlichere Veränderungen anzustreben. Dazu ist es wichtig:

  • Mehr Veränderung, statt weniger: Die ‚guiding coalition’ nutzt den entstandenen Glauben an nachhaltige Veränderung dazu, weiterreichende und tiefergehende Entwicklungen einzuleiten.
  • Mehr Unterstützung: Zusätzliche MitarbeiterInnen werden einbezogen und entwickelt, um die gesamthafte Entwicklung zu unterstützen.
  • ‚Leadership’ vom Top-Management: Das Top-Management konzentriert sich darauf, ein klares Zielbild (Vision) zu entwickeln und zu kommunizieren, sorgt dafür, dass der ‚sense of urgency’ in der Organisation erhalten bleibt und führt eine Meta-Struktur und Meta-Prozesse ein, um die Entwicklungsenergie zu steuern und zu kanalisieren.
  • Projektmanagement und ‚leadership’ von unten: Untere Ebenen in der Hierarchie führen die neuen Projekte im Sinne des ‚Leadership’ und sorgen für ein sauberes Projektmanagement.
  • Personal- und Organisationsentwicklung: Diese beiden Abteilungen stehen im besonderen Fokus des Top-Managements. Die Personalabteilung wird dazu verpflichtet, dass sich die Personalauswahl, -entwicklungs und beurteilungssysteme an der angestrebten Wertestufe orientieren. Die Organisationsentwicklung muss Strukturen, Prozesse und Verantwortlichkeiten schaffen, welche den Wertesprung unterstützen, d.h. abverlangen und nicht behindern.
  • Systematische Müllabfuhr: Um die Weiterentwicklung leichter und nachhaltiger zu machen, sorgt das Management in ihrem jeweiligen Verantwortungsbereich dafür, dass überkommene Abhängigkeiten systematisch abgeschafft werden.

* In Anlehnung an:

  • Martina Bär, Rainer Krumm & Hartmut Wiehle (2007). Unternehmen verstehen, gestalten, verändern. Das Graves-Value-System in der Praxis. Gabler.
  • Michael Beer, Russell A. Eisenstat, and Bert Spector (1990) ‚Why change programs don’t produce change’. HBR.
  • Clare W. Graves (2005). The never ending quest. Eclet Publishing.
  • John P. Kotter (1996) Leading Change. Harvard Business Press.
  • Fredmund Malik (2006) Führen, Leisten, Leben – Wirksames Management für eine neue Zeit. Campus.
  • Edgar H. Schein (2003) Prozessberatung für die Organisation der Zukunft. EHP.
  • Rolf Wimmer; http://www.mz-witten.de/mzw/files/Wimmer_Wider_den _Veraenderungsoptimismus.p

Anmerkungen

[**Aufgrund der Lesbarkeit wurde durchgängig die männliche Form gewählt. Ich bitte es so zu verstehen, dass gleichermaßen das weibliche Geschlecht angesprochen wird.

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